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Das Singverbot in der Kirche fällt – aber nicht für alle Sänger

Mit seinen jüngsten Corona-Entscheiden hat der Bundesrat in den Kirchen totale Konfusion provoziert. Jetzt schafft das BAG Klarheit – aber sie ist kompliziert.

Seit Mittwochabend ist in Schweizer Kirchenkreisen die Konfusion total. «Das gemeinsame Singen im Gottesdienst ist leider nach wie vor untersagt», schreibt die reformierte Zürcher Landeskirche auf ihrer Website nach den jüngsten Corona-Entscheiden des Bundesrats. Dabei beruft sich die Kirche auf eine Telefonauskunft des Bundesamts für Gesundheit (BAG) vom Mittwochabend, 14. April. Derweil kam von der BAG-Medienstelle praktisch gleichzeitig die Auskunft, das bisher geltende Gesangsverbot sei «gestrichen». Was gilt nun? Auf erneute Nachfrage schafft das BAG Klarheit. Doch zuerst eine kurze Rückblende. Corona und die Kirchen – das ist eine Geschichte für sich. Als der Bundesrat im März 2020 das Land in den Lockdown schickte, galt dieser zunächst auch für religiöse Gemeinschaften. Rund zweieinhalb Monate lang durften keine Gottesdienste stattfinden – mit Ausnahme von Beerdigungen im kleinsten Familienkreis. Doch Ende Mai gab der Bundesrat dem Drängen der Kirchen nach: Er liess Gottesdienste mit bis zu 50 Besuchern wieder zu – gerade rechtzeitig für Pfingsten. Dieses Kirchenprivileg mit 50-Personen-Gottesdiensten blieb – selbst als der Bundesrat das Land kurz vor Weihnachten in den zweiten Lockdown schickte und sogar private Treffen auf 5 Personen beschränkte. Nur das gemeinsame Singen ist seit Ende Oktober in den Kirchen streng verboten – eine Einschränkung, die vielen Kirchgängern Mühe bereitet. Doch jetzt fällt dieses Singverbot definitiv.

Singen mit Maske

Das bestätigt die BAG-Medienstelle am Donnerstag, 16. April auf erneute Anfrage schriftlich. Das heisst: Die versammelte Gemeinde darf ab dem 25. April – dem ersten Sonntag nach dem Inkrafttreten der neuen Regeln – wieder «Kumbaya, My Lord» oder «Grosser Gott, wir loben dich» singen. Allerdings müssen die Gottesdienstbesucher auch zum Singen die Schutzmaske aufbehalten. Doch die neue Lizenz zum Singen gilt nur für das Publikum. Ein Chor – egal, ob aus Laien oder Profis bestehend – darf weiterhin nicht auftreten, weder in einer Kirche noch in einem Konzertsaal. Eine Lockerung hat der Bundesrat bloss für Chorproben beschlossen. Chöre – egal, ob kirchliche oder säkulare – dürfen wieder mit maximal 15 Teilnehmern proben. Wenn der Chor ohne Maske singen will, braucht er allerdings Platz, viel Platz sogar: mindestens 25 Quadratmetern pro Person. Damit ein 15-köpfiger Chor proben kann, muss der Proberaum so gross sein wie eine Turnhalle. Alternativ können die einzelnen Sänger auch in Boxen aus Plexiglas oder Ähnlichem versorgt werden. Wenn der Chor mit Maske singt, genügt zwischen den einzelnen Sängern hingegen der übliche Hygiene-Abstand von 1,5 Metern.

Polizeikontrolle in der Kirche

Und was ist mit Solisten oder Bands, die in vielen Kirchen die Gemeinde beim Singen anleiten? Hier unterscheiden die (alten und neuen) BAG-Regeln weiterhin zwischen professionellen und nicht professionellen Sängern. Zwar gibt es keine Hinweise, dass Profis beim Singen weniger spucken als Laien. Trotzdem profitieren Profisänger von einer Ausnahmeregelung, weil sie von der Musik leben. Auch nach den neusten Bundesratsentscheiden dürfen Profisolisten in der Kirche singen. Für Laien hingegen gilt das Auftrittsverbot weiterhin, wie das BAG bestätigt: «Es dürfen nur professionelle Sängerinnen und Sänger auftreten.» Wegen dieser Regel gab es in den Kirchen in den letzten Monaten viel Unsicherheit und Unmut. Einzelne Kirchgemeinden interpretierten die Regel so, dass der Pfarrer (egal, wie schlecht er singt) vor der Gemeinde singen darf, die Laiensängerin (egal, wie gut sie singt) aber nicht. In einzelnen Kantonen gab es sogar Polizeikontrollen. Am 24. Januar stiess die Berner Kantonspolizei in einer Freikirche auf eine Band, bestehend aus drei Musikern und einer Sängerin, auf der Bühne. Anschliessend bekam die Kirche eine Ermahnung vom Regierungsstatthalteramt. Der nationale Freikirchenverband passte in der Folge seine diesbezüglichen Empfehlungen an die Mitgliedskirchen an.

Outdoor-Gottesdienst bis 100 Personen

Unverändert gilt für Kirchen die Beschränkung auf maximal 50 Besucher pro Gottesdienst – sofern sie die Abstandsvorschriften einhalten können. Damit fällt das bisherige Kirchenprivileg faktisch dahin, weil auch kulturelle Anlässe in Innenräumen neu wieder mit bis zu 50 Zuschauern stattfinden können. In Aussenräumen sind neu auch Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen wieder möglich. Diese 100er-Regel gilt auch für Kirchen, wie das BAG bestätigt. Das heisst: Ein Outdoor-Auffahrtsgottesdienst auf einem Bauernhof mit bis zu 100 Leuten ist dieses Jahr wieder möglich – inklusive Gesang.

Quelle: thunertagblatt.ch, 15.04.2021, Markus Häfliger