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Reutigen: Kirche erstrahlt in neuem Glanz

Das Reutiger Kirchendach und der Kirchturm sind während den Sommermonaten neu eingedeckt worden.

An einem regnerisch-trüben Morgen um 9.20 Uhr ist es vollbracht: Das am 7. Juni per Helikopter von der Kirchturmspitze abgehobene Kreuz erstrahlt an seinem angestammten Platz in neuem Glanz. Das filigrane – und doch gut 90 Kilo schwere – Kreuz ist per Teleskop-Hebebühne in die Höhe gehievt worden. «Acht Schrauben sorgen dafür, dass es nun wieder fest in der Halterung sitzt», erklärt der für die Montage zuständige Christoph Balmer aus Oey. Das Kreuz restauriert hat sein Freelancer und Namensvetter Beat Balmer, ein Kunstspengler aus Uetendorf.

Viel Handarbeit

Das kunstvoll gearbeitete Eisenkreuz wird in der Baugeschichte der Reutiger Kirche nirgends erwähnt. Beat Balmer glaubt, dass es – mit Ausnahme des 1987 ersetzten Fusses – etwa 150-jährig sein dürfte. «Die gesamte Konstruktion war noch intakt, diverse Löcher konnten mit Silberlot geschlossen werden. Mittels Sand- und Staubstrahlen sowie vorsichtigem Stahlbürsteneinsatz erfolgte die Reinigung.» Das Wiederherstellen des ursprünglichen Zustandes habe sehr viel Handarbeit erfordert, sagt Balmer. «So auch das Blattvergolden der Blumen, bei dem die dünnen Blättchen aus nahezu reinem Gold mit dem Pinsel aufgetragen werden.» Neu vergoldet ist auch die sich auf dem Kreuz drehende Windfahne mit Sonne und Sichelmond.

Mit Präzision und Kreativität

Auch das beschädigte Zifferblatt der Turmuhr ist zuvor sorgfältig restauriert und danach wieder montiert worden. Dies, nachdem der Diemtigtaler Christoph Wissler mit den Arbeiten am Kirchturmdach fertig war. Rund 35000 «Schipfeni» seien dort verarbeitet worden, erklärt Wissler. Je nach Breite seien diese 3 bis 6 Millimeter dick. Zum Teil resultierte am steilen Turm eine 12-fache Deckung. Die Reihen (Fach) sind zu den vier – mit Blech unterlegten – Turmkanten hin rund montiert. Entsprechend der jeweiligen Wetterseite sind die Schindeln anders geschichtet, sodass der Regen weniger eindringen kann. Wissler hat aber auch seine Kreativität spielen lassen und eine mit einem Kreuz hinterlegte Taube in das Schindeldach gezaubert. Das von der Burgergemeinde Reutigen gestiftete Holz stammt grösstenteils aus dem Lindental.

Neue Steuerung für Uhr


Um das Kirchendach mit Ziegeln neu einzudecken, war erneut ein Helikopter zum Einsatz gekommen: Palettenweise sind die Ziegel auf das Dach geflogen worden. Am Ende dieser Arbeiten konnten die Baugerüste sukzessive entfernt werden. Das Glockengeläute im A-Dur-Dreiklang ist schon seit längerem probeweise wieder in Betrieb. Nun steht bloss noch die Installation einer neuen Steuerung für die Kirchenuhr und das Kirchengeläute bevor.

Kreuz-Restaurierung gespendet

Die Kosten für die Restaurierung des Kirchturmkreuzes haben Elisabeth und Fredi Rieger-Ruch aus Grenchen übernommen. «Unsere Mutter ist in Niederstocken aufgewachsen. Sie hatte stets eine enge Beziehung zu ihrer engeren Heimat und zur Kirche Reutigen», erklärt Elisabeth Rieger. «Letztes Jahr mussten wir von unserer Mutter Abschied nehmen, und wir haben ihren Wunsch, sie auf dem Friedhof Reutigen zu beerdigen, erfüllt. So hat sich ihr Lebenskreis geschlossen.» Zudem sei in diesem Jahr auch der Vater gestorben und dessen Urne auf Mutters Grab beigesetzt worden. Die Investition ans Kreuz sei als Zeichen des Dankes zu verstehen.

Es darf gefeiert werden

Die Anfang Mai gestarteten Sanierungsarbeiten konnten unfallfrei und innerhalb des Voranschlags von 250000 Franken beendet werden. Dies soll am Sonntag, 2. Dezember, mit einem Dankgottesdienst gefeiert werden. Die Geschichte der Marienkirche wurzelt im 11./12. Jahrhundert, urkundlich erstmals erwähnt wurde sie im Jahr 1330. Die von Verena Stähli-Lüthi recherchierte Geschichte des Reutiger Gotteshauses hat die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte Bern unter ISBN 3–87582–199–X (Serie 20, Nr. 199) herausgegeben.

Quelle: Thuner Tagblatt, 16.10.2018