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Neues Buch von Pfr. Ruedi Heinzer: 62-mal 2 Seiten gegen oberflächlichen Zeitgeist

Ruedi Heinzer, pensionierter Pfarrer und debattierfreudig, stellt am Freitag, 23. Juni, in Spiez sein Buch «Lifehacks für Knappgläubige» vor.

«Wie lieb ist der liebe Gott?» «Ist es wichtig, was man glaubt?» Und: «Wieso soll man sich überhaupt mit Religion befassen?» – Noch vor zwei Generationen hätten die Überschriften in Ruedi Heinzers neuem Buch provokativ getönt. Jetzt geben sie schlicht verbreitete Fragen wieder: Einer christlichen Konfession anzugehören, ist auch im Berner Oberland keine Selbstverständlichkeit mehr.

Weniger Wunschdenken

Dass das Zeitalter der Staatsreligionen im aufgeklärten Europa vorbei ist, stört den pensionierten Pfarrer nicht – im Gegenteil. Mit seiner kritischen, debattierfreudigen Art hätte er sich wohl im alten Bern ebenso wenig mit Chorgericht und pfarrherrlicher Autorität anfreunden können wie heute mit dem, was er unter «Zeitgeist» zusammenfasst. Aber er findet es schade, wenn Menschen im christlichen Abendland oberflächlich über die Religion hinweggehen, die ihre Kultur seit Jahrhunderten geprägt hat; zumal er überzeugt ist, dass sie auch heute Menschen einiges zu bieten hat.

Interesse führt zu Aha-Erlebnis

Zum Beispiel Selbstkenntnis und Menschenkenntnis. Beidem begegnet man in einer Konsumgesellschaft mit ihrem ungezügelten Wunschdenken eher selten. Ruedi Heinzer trieb schon lange die Frage um, warum wir Menschen zwar wissen, was gut für uns wäre, aber fast nie danach handeln. Schliesslich führte sein Interesse für Neuropsychologie zu einem Aha-Erlebnis: «Mit unserem ‹rationalen Hirn› denken wir viel zu langsam für die Komplexität des Lebens. Um dennoch handeln zu können, haben wir das ‹emotionale Hirn›. Damit steuern wir so gut wie möglich einen Kurs zwischen Wissen und Wünschen, Bauchgefühl und Mitgefühl. Genau dieses emotionale Hirn spricht die Bibel mit ihren menschlichen und allzu menschlichen Geschichten an», sagt Heinzer. Deshalb funktioniere es auch nicht, Religion rational verstehen zu wollen.

Vielfalt und Widersprüche

In der Folge räumt Heinzer gleich noch mit dem Missverständnis auf, der Glaube sei «Glauben wider besseres Wissen». «Das griechische Wort ‹pistis› im Neuen Testament müssten wir nach unserem heutigen Sprachgebrauch eher mit ‹Vertrauen› übersetzen.» Und wer auf Gott vertraut, muss sich nicht krampfhaft an Altes klammern, sondern getraut sich eher, Neues auszuprobieren. Heinzer wundert sich denn auch nicht über die Vielfalt christlicher Konfessionen. Denn im Gottvertrauen und in der zentralen Aussage des Neuen Testaments, dass der Messias mit Jesus in die Welt gekommen ist, um in den Herzen der Menschen zu wirken, sind ständige Erneuerungen vorprogrammiert. Und schon im Alten Testament ist die Debattierfreude der jüdisch-christlichen Tradition angelegt: «Schliesslich handelt es sich nicht einfach um ein Buch aus einem Guss», gibt Heinzer zu bedenken, «sondern um eine ganze Bibliothek aus Schriften, die über einen Zeitraum von 1000 Jahren entstanden sind – und entsprechende Widersprüche aufweisen.»

Einladung zum Debattieren

In der zweiten Hälfte seines Theologiestudiums in Philadelphia, wo zahlreiche Konfessionen leidenschaftlich und freundschaftlich über die richtige Bibelauslegung stritten, habe er gelernt, was reformiert bedeute. Als Studienleiter im Schloss Hünigen, als Feldprediger der Luftwaffe und als Gemeindepfarrer in Krattigen, Vechigen und Frutigen traf er auf unterschiedlichste Menschen mit vielfältigen Fragen an ihre Religion. Und als Kolumnist des «Frutigländers» übte er, sich kurz zu halten. Nun zieht Ruedi Heinzer alle Register seiner Ausbildung und Erfahrung, um zeitgeistig «Knappgläubige» 62-mal mit je 2 Seiten kurzen Texten zur Auseinandersetzung mit Glaubensfragen herauszufordern. Und er stellt sich auch gern selber der Debatte – ein erstes Mal am Freitag, 23. Juni, 19.30 Uhr, in der Bibliothek Spiez.

Ruedi Heinzer: Lifehacks für Knappgläubige, ISBN 978-3-290-18523-7, 190 Seiten, 26.80 Fr.

Quelle: www.thunertagblatt.ch, 22.06.2023, Sibylle Hunziker