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Ja zum Klimaschutz dürfte Wertedebatte in der Kirche befeuern

Reformierte Klimaschützerinnen freuen sich über das deutliche Abstimmungsresultat. Dieses helfe Kirchgemeinden bei der Zukunftsplanung und verleihe der Debatte um den Umgang mit der Schöpfung Schub.

Übersprudeln vor Freude würde sie noch nicht, aber sie spüre eine sehr grosse Erleichterung. Das sagt Gabriela Allemann nach dem deutlichen Ja der Schweizer Stimmbevölkerung zum Klimaschutzgesetz. Allemann ist Präsidentin der Evangelischen Frauen Schweiz (EFS) und engagiert sich in der Koalition «Christ:innen für Klimaschutz». «Hätte eine Mehrheit das Gesetz abgelehnt, wäre es auch für mich persönlich schwierig geworden, meinen Töchtern zu erklären, warum wir als Land nicht endlich konkret etwas gegen die Klimakrise tun.» Das deutliche Bekenntnis der Schweizer Bevölkerung zum Klimaschutz stärkt den Rücken jener, die sich wie Allemann im Vorfeld der Abstimmung für die Vorlage stark gemacht haben. Dazu gehört auch der Klimaaktivist Tobias Adam, der im Kanton Zürich Unterschriften für eine Schöpfungsinitiative in der reformierten Kirche sammelt. «Es ist uns gelungen verständlich zu machen, dass das Gesetz nicht radikal, sondern vernünftig und notwendig ist», sagt er. «Nichts tun wäre radikal.» Sowohl Allemann als auch Adam heben hervor, dass sich die Klimakrise respektive die Massnahmen dagegen «damit nicht erledigt» haben. «Das war ein abgespeckter Kompromiss, bei dem ein Ja der Stimmbevölkerung eigentlich eine Selbstverständlichkeit hätte sein sollen», so Allemann. Nach dem Nein zum CO2-Gesetz vor zwei Jahren sei die Anspannung dieses Mal aber gross gewesen. Adam nennt das Ja einen «bitter nötigen ersten Schritt», der Rechtssicherheit schaffe. «Es ist endlich ein Bekenntnis der Schweiz zum Klimaschutz, eine Grundlage, um weiterzumachen.»

Einen Grund, warum es für ein Ja reichte, sieht Allemann in der Mobilisierung. Ihrer Meinung nach sei diese besser gelungen als noch vor zwei Jahren beim CO2-Gesetz. «Wir wussten aufgrund dieser Erfahrung, dass es kein Spaziergang wird. Darum haben wir auf allen Ebenen bis zur letzten Minute versucht, die Menschen dazu zu bewegen, ein Ja einzuwerfen.» Erika Cahenzli, Kirchenratspräsidentin der evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden, sieht einen weiteren Grund darin, dass die Menschen sensibilisiert sind. «Gerade in unserem Kanton sehen die Menschen, was vor ihrer Haustüre passiert, mit welchen Auswirkungen der Klimaerwärmung wir zu kämpfen haben.» Graubünden ist einer jener Kantone, die das CO2-Gesetz vor zwei Jahren ablehnten, nun aber das Klimaschutzgesetz annahmen. Für die Kirchen bedeutet das deutliche Ja zum Klimaschutz gemäss den Klimaschutz-Befürworterinnen zweierlei: Erstens ermögliche es Kirchgemeinden ganz konkret, ihre Zukunft zu planen, wie Gabriela Allemann ausführt. «Hie und da wurde bisher noch gezögert, die verbindlichen Ziele geben nun Planungssicherheit.» Ganz konkret sei das Gesetz für Kirchgemeinden insbesondere bei der Sanierung von Gebäuden relevant.

Zweitens dürfte das Gesetz aber auch die Wertediskussionen innerhalb der Kirche weiter befeuern, wie Erika Cahenzli ausführt. «Es wird noch stärker darum gerungen werden, wie wir mit der Schöpfung umgehen», sagt sie. «In der Wertediskussion wie zum Beispiel zu unserem Konsumverhalten hat die Kirche durchaus etwas zu sagen», sagt sie. Ausserdem dürfte die Frage, wie sich die Kirche zu politischen Themen positioniert, weiter zu kontroversen Diskussionen führen. Seit der Kritik am Engagement der Kirchen für die Konzernverantwortung herrscht hier eine gewisse Zurückhaltung. Cahenzli selbst ist das beste Beispiel dafür, wie sich auf dem schmalen Grat zwischen Engagement und Zurückhaltung wandern lässt. Vor der Abstimmung trat sie bei einem Anlass der Befürworter am Morteratschgletscher auf, hinter ihr wehten Ja-Fahnen. «Da ist es natürlich schwierig, ganz trennscharf zu sein», sagt Cahenzli. Sie macht aber klar, dass sie keine politische Stellungnahme getroffen hat und dass die Kirche ihr «breites Dach» behalten müsse, wo alle dazu gehören und respektiert werden. «Ich sehe die Rolle der Kirche bei der Meinungsbildung und nicht bei der Beeinflussung vor einer Abstimmung», sagt sie.

Quelle: www.ref.ch, 18. Juni 2023, Andres Eberhard