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Thun: So wollen die Reformierten zur neuen Einheit finden

Die fünf Thuner Kirchgemeinden sollen sich freiwillig zu einer Kirchgemeinde zusammenschliessen: Das beantragt der Kleine Kirchenrat dem Kirchenparlament.

Es ist schon lange klar: Die heutige Doppelstruktur der Thuner reformierten Kirche mit einzelnen Kirchgemeinden und einer Gesamtkirchgemeinde ist zu kompliziert. Doppelspurigkeiten und schwerfällige Entscheidungswege sind die Konsequenz. Und die heutige Struktur weist vor allem ein prinzipielles Problem auf: «Geld und Geist sind nicht in einer Hand.» Das hält nun auch der Kleine Kirchenrat in seiner Botschaft an das Kirchenparlament zum Projekt für nur noch eine Thuner Kirchgemeinde fest. Im Frühjahr 2021 reichten vier Parlamentarier dazu eine Motion im Grossen Kirchenrat ein, die dieser am 29. November mit 17 Ja zu je vier Nein und Enthaltungen überwiesen hat. Nach zwei Workshops im Sommer legt die Exekutive nun ihren entsprechenden Antrag dem Parlament vor. Dieses soll an der Sitzung vom 29. August in der Stadtkirche den vorgelegten Bericht zur Bildung nur noch einer Kirchgemeinde im Grundsatz gutheissen. Bezüglich Zusammenschluss hält der Kleine Kirchenrat fest, dass eine Kombinationsfusion vorgesehen ist. Dabei schliessen sich mehrere Teilgemeinden zu einer vollständig neuen Gemeinde zusammen. Ein solcher Zusammenschluss sei gemäss dem Gemeindegesetz «ausdrücklich erlaubt», auch für eine Gesamtkirchgemeinde als «besondere Gemeindeart», schreibt der Kleine Kirchenrat. Die Gesamtkirchgemeinde könnte demnach im neuen Ganzen aufgehen und müsste nicht vorgängig in einem aufwendigen Verfahren aufgelöst werden, unterstreicht die Exekutive zum gesetzlichen Verfahren für den Fusionsprozess.

Entscheide bis März 2023

Gemäss Antrag soll das Kirchenparlament die bestehenden fünf Kirchgemeinden gleichzeitig «einladen», bis Ende März 2023 Kirchgemeindeversammlungen einzuberufen, um ebenfalls darüber zu befinden, ob sie das Projekt für eine Einheitskirchgemeinde in Thun gutheissen. Wenn die Grundsatzentscheide gefällt sind, soll ein Steuerungsgremium mit je zwei Vertretern jeder Kirchgemeinde, der Gesamtkirchgemeinde und der Pfarrkonferenz eingesetzt werden. Auch die Sozialdiakonie und die Katechetik sollen in diesem Gremium, das den Auftrag erhält, «eine Vorlage für den Zusammenschluss der Gesamtkirchgemeinde mit ihren Kirchgemeinden zu erarbeiten», vertreten sein.

Fünf Meiliensteine bis zum Ziel 2027

In seiner Botschaft für nur noch eine Kirchgemeinde Thun skizziert der Kleine Kirchenrat auch detailliert den Zeitplan, wie und bis wann diese zustande kommen soll. So sollen bereits Abklärungen für den Finanzbedarf des Projekts getätigt werden, bevor sämtliche Grundsatzbeschlüsse im Frühjahr 2023 fallen. Dies, damit der Grosse Kirchenrat gleich den erforderlichen Kredit sprechen kann. Dann soll auch der Steuerungsausschuss seine Arbeit aufnehmen und bis im Sommer die Eckwerte für eine erste Vernehmlassung verabschieden. Nach deren Abschluss werden in diversen Workshops die Rechtsgrundlagen zur Kirchenfusion erarbeitet. Dazu gehören ein Organisations- und Fusionsreglement sowie der Vertrag. Dafür wird rund ein Jahr benötigt, ehe der Steuerungsausschuss im Sommer 2024 die Entwürfe zur Vernehmlassung und Vorprüfung verabschieden soll. Daraus wird eine Fusionsvorlage erstellt und nach zweifacher Lesung den Stimmberechtigten aller Gemeinden zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Nach dem Fahrplan, den der Kleine Kirchenrat als «einigermassen sportlich» bezeichnet, soll dieser Beschluss über das Zustandekommen der Fusion in drei Jahren, also im August 2025, fallen. Ins Leben gerufen würde die Einheitsgemeinde somit auf Anfang 2027.

Keine Einstimmigkeit nötig

In diesem Prozess, der nun anlaufen soll, seien alle beteiligten Gemeinden «grundsätzlich gleichwertige Körperschaften», heisst es in der Botschaft. Sie können demnach «als eigenständige, souveräne Gemeinwesen selbst über ihr eigenes Schicksal entscheiden». Die Vereinigung könne deshalb nur zustande kommen, «wenn die betroffenen Gemeinden dies aus freiem Willen beschliessen», wird betont. Einstimmigkeit sei dabei jedoch «rechtlich nicht erforderlich». Im vorliegenden Fall erscheint dem Kleinen Kirchenrat vielmehr «realistisch, dass die Fusion zustande kommt, wenn die Gesamtkirchgemeinde sowie vier der fünf Kirchgemeinden dem Zusammenschluss zustimmen».

Aber doppelte Abstimmung

Diese Tatsache ist vor dem Hintergrund interessant, dass aus Strättligen vom Verein, der mit einer Initiative für den Erhalt der Johanneskirche kämpfte, bereits Vorbehalte zu einer grossen Einheitsgemeinde vorgebracht wurde. Die Initiative wurde damals von den Thuner Reformierten in einer Urnenabstimmung, die es auf dem langen Weg zur Kirchfusion auch wieder geben wird, klar gutgeheissen. Die Reformierten Thuns entscheiden also gleich doppelt über ihre Zukunft: In ihrer Kirchgemeinde und als Souverän der Gesamtkirchgemeinde. Grössere Steine auf dem Weg lägen dabei «sicher nicht drin», hält der Kirchenrat fest.

Paroisse française als Sonderfall

Nach der Kantonsverfassung gilt für Kirchgemeinden das «Territorialprinzip». Demnach weist jede Gemeinde ein bestimmtes, durch den Kanton festgelegtes Gebiet auf, in dem ihre Stimmberechtigten beheimatet sind. Die Paroisse française de Thoune hat zwar den Sitz in der Stadt, ihre Mitglieder kommen aber auch aus dem Oberland und Emmental. Da das neue Landeskirchengesetz ausdrücklich zweisprachige Kirchgemeinden vorsieht, sei es möglich, «die französischsprachigen Gemeideglieder mit vollen Rechten in eine Kirchgemeinde Thun zu integrieren», heisst es seitens der Gesamtkirchgemeinde im Zusammenhang mit der angestrebten Fusion der Thuner Kirchgemeinden, wovon die Paroisse française de Thoune eine ist.

Quelle: Thuner Tagblatt, 24.08.2022, Andreas Tschopp