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Bern: Aus Pfarrhaus mach Kita

Die Berner Kirchgemeinde Matthäus hat zwei Kirchen und viel zu hohe Gebäudekosten. Nun interessiert sich die Stadt für ihre Immobilien. Geschichte einer Umnutzung.

Der Kirchgemeinde Matthäus Bern-Bremgarten steht eine Trennung bevor. Das sogenannte «Ensemble Rossfeld», bestehend aus Kirche, Gemeinde- und Pfarrhaus, soll in den Besitz der Stadt übergehen. Die kirchliche Immobilien-Gesellschaft RefBernImmo AG verhandelt bereits die Details des Kaufvertrags mit der Stadtverwaltung.

Kirchen kosten Geld

Der Grund für die Trennung ist, wie so oft dieser Tage, das liebe Geld. Die Kirchgemeinde Matthäus besitzt nicht nur eine Kirche, sondern gleich zwei: eine im Quartier Rossfeld und eine in Bremgarten. Die gesamten Liegenschaftskosten belaufen sich auf jährlich 900’000 Franken. «Das ist zu viel, wir können das nicht mehr finanzieren», erklärt Jörg Wilhelm, der Präsident des Kirchgemeinderats. Der Entscheid, die Gebäude zu verkaufen, fiel schon 2014. Ganz einfach war der Prozess aber nicht. Zunächst war unklar, wo denn nun die Gemeindemitglieder aus dem Rossfeld künftig ihre Gottesdienste feiern könnten. Zwar liegen die Kirchen Bremgarten und Rossfeld in Sichtweite. Allerdings sind sie durch eine Schlucht und die Aare getrennt, was den Bewohnern des Rossfeld-Quartiers den Weg zum Gottesdienst in Bremgarten erschwert. Ein erster Plan sah deshalb vor, dass die Kirchgemeinde Matthäus mit den katholischen Nachbarn von der Heiligkreuz-Kirche zusammenspannt. Doch diese entschieden dann ebenfalls, ihr Kirchengebäude zu verkaufen.

Protest mit 1’600 Unterschriften

Als sich 2016 ein privater Käufer für das Kirchengebäude als Platz für sein Akustik-Labor interessierte, regte sich in der Kirchgemeinde und im Quartierverein Widerstand.  Sie sammelten 1’600 Unterschriften, damit die Gesamtkirchgemeinde Bern die Kirche nicht dem privaten Käufer gibt. «Die Idee des Akustik-Labors war nicht grundsätzlich schlecht, aber wir hätten als Kirche keinen Platz mehr gehabt», sagt Matthäus-Pfarrerin Doris Moser. «Das Quartier hat ohnehin kaum noch öffentlichen Raum. Wir wollten verhindern, dass noch mehr verloren geht.»

Kirche verwandelt sich in Lesetempel

Nun zeichnet sich mit der Stadt Bern eine Lösung ab, die dem Bedürfnis der Kirchgemeinde entgegen kommt. Die Stadt möchte das Pfarrhaus als Kita und das Kirchgemeindehaus für Schule und Tagesbetreuung nutzen. Auch für die Kirche hat die Stadt Pläne: Sie will dort einen Mehrzweckraum gestalten, der einerseits als Schul- und Quartiersbibliothek, andererseits auch als Versammlungsraum genutzt werden kann. Kommt der Kaufvertrag zu Stande, gehört das «Ensemble Rossfeld» ab 1. Januar 2019 der Stadt Bern. Der Kirchgemeinde Matthäus würde das Nutzungsrecht zugesichert und im Grundbuch festgehalten. Auch würde die Kirchgemeinde weiterhin im Quartier vertreten sein. Sie würde sich bei der Stadt einmieten. Im Kirchenraum könnte sie sich weiterhin zu Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen treffen. «Zufriedener wären wir natürlich, wenn wir die Häuser behalten könnten, aber das ist aus finanziellen Gründen nicht möglich», beurteilt Pfarrerin Doris Moser die Lage. Kirchenratspräsident Wilhelm fasst es so zusammen: «Der Entscheid ist zwar immer noch schmerzlich, aber es ist eine gute Lösung.»

Ziel: rentabel wirtschaften

Die Lösung ist auch im Sinne der RefbernImmo AG. Die Berner Gesamtkirchgemeinde gründete Anfangs 2017 die Immobiliengesellschaft, um nicht mehr kirchlich genutzte Liegenschaften professionell und rentabel zu bewirtschaften. Es sei zwar generell einfach, Interessenten für Pfarr-  und Kirchgemeindehäuser in der Stadt Bern zu finden, aber es gäbe Projekte, welche die Kirche bevorzuge, sagt Bruno Banholzer, der Verwalter der Gesamtkirchgemeinde. «Grundsätzlich bevorzugen wir eine kirchliche Nutzung durch Glaubensgemeinschaften, die den Reformierten nahestehen. Gleich danach kommen soziale Projekte, zum Beispiel betreutes Wohnen, oder die Stadt als Käuferin. Erst danach ziehen wir private Interessenten in Betracht», erzählt Banholzer. So gesehen ist der Fall Rossfeld ein Glücksfall. Doch nicht jedes kirchliche Gebäude lässt sich so vielseitig umnutzen – insbesondere bei Kirchen gilt es oft strenge Vorschriften der Denkmalpflege einzuhalten.

Flexibler werden

Für Banholzer steht das Ziel der RefBernImmo AG, mit marktüblichen Preisen zu wirtschaften, nicht im Konflikt mit kirchlichen Grundsätzen. Einerseits steigere man nicht gezielt die Liegenschaftswerte, zum Beispiel mit aufwändigen Renovationen, andererseits blieben benötigte Räume im kirchlichen Portfolio. «Die Kirchen behalten Räume, die sie für ihre Projekte benötigen. Es ist besser Gebäude zu verkaufen, als für Liegenschaften zu bezahlen, die zu wenig genutzt werden. So werden ausserdem finanzielle Kapazitäten für weitere soziale Aufgaben frei», sagt Banholzer. So sieht es auch Jörg Wilhelm von der Matthäuskirche. «Wir sind umgeben von anderen Kirchgemeinden, deren Räume wir bei Bedarf nutzen können. Diese Alternativen müssen wir vermehrt in Betracht ziehen. Die Raumbelegung ist oft dermassen schwach, dass es nicht vertretbar wäre, sie wegen 20 bis 50 Stunden im Jahr zu behalten.»

Quelle: www.ref.ch, 23. Februar 2018, Patricia Dickson