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Thun: Warum Strättligen ratlos in die Kirchenzukunft geht

Thun-Strättligen steht bald ohne Kirchgemeinderat da. Grund dafür ist der finanzielle Dauerzwist mit dem Kleinen Kirchenrat, der jetzt eskaliert ist.

Nächste Runde im Finanzstreit: Statt des ausgearbeiteten Budgets für 2023 legt der Kleine Kirchenrat dem Kirchenparlament (Grosser Kirchenrat) an der Sitzung vom Montag, 28. November, nur einen Antrag dazu zum Beschluss vor. Zu genehmigen ist demnach eine «Budgetüberschreitung der Kirchgemeinde Thun-Strättligen» von 44’200 Franken. Falls dies nicht so erfolgt, wird die Kirchgemeinde (KG) «aufgefordert», den Betrag um 29’200 Franken auf noch 15’000 Franken zu kürzen.

«Termine nicht eingehalten»


Begründet wird dieses Vorgehen von der Kirchenexekutive damit, dass die Terminvorgaben zur Budgeterstellung durch zwei «zusätzliche Kürzungsschlaufen» mit der KG Thun-Strättligen nicht eingehalten werden konnten. Die Kirchgemeinde hatte ursprünglich 286’700 Franken für die sogenannt freie Quote eingegeben und diese dann auf 267’000 Franken gekürzt. Der Kleine Kirchenrat wollte der mit 10’550 Mitgliedern grössten Thuner Teilkirchgemeinde aber bloss 222’800 Franken zugestehen. Die überschüssigen 44’200 Franken beantragt er nun dem Grossen Kirchenrat zur separaten Bewilligung mit einem Eventualantrag.

Budget sieht Überschuss vor

Dieses Vorgehen mit einem Vorantrag zum Budget, das aktuell bei Gesamtausgaben von gut 9 Millionen einen Ertragsüberschuss von 112’400 Franken vorsieht und bereinigt erst am 16. Januar 2023 dem Parlament vorgelegt wird, stösst nicht auf Gegenliebe in Strättligen. Dort hat Peter Gosteli als finanzverantwortlicher Kirchgemeinderat eigene Berechnungen angestellt. Demnach sollen die Kirchgemeinden Thun-Stadt, Lerchenfeld und Goldiwil, die zusammen 11’000 Mitglieder zählen, für 2023 insgesamt 2,8 Millionen Franken erhalten. Das ist etwas mehr als noch 2021. Für das fast gleich grosse Strättligen sollen es hingegen nur gut 1,8 Millionen sein oder mehr als 200’000 Franken weniger als 2021.

Kirchenrat fühlt sich gestützt

Das hat Peter Gosteli so berechnet in seiner Aufstellung, in welcher er sein Augenmerk auf die freie Quote wirft und bei dieser einen «Berechnungsfehler» ortet. Deshalb wollte Strättligen die 44’200 Franken als Lohnanteile auch nicht umlagern, sondern hielt daran als gebundene Ausgabe fest. Der Kleine Kirchenrat sieht sich seinerseits gestützt von den Kirchgemeinden Thun-Stadt, Lerchenfeld und Goldiwil-Schwendibach, welche die Budgetüberschreitung Strättligens an einer Vorbesprechung zurückwiesen, wie aus den Unterlagen hervorgeht. Dass die Gesamtkirchgemeinde im neuen Jahr nun gut zwei Wochen ohne Budget dasteht, hält der finanzverantwortliche Kirchenrat Thomas Straubhaar für «verkraftbar». Er nennt technische Gründe dafür, dass daher keine Budgetvarianten erstellt werden konnten.

Für den Strättliger Rat wars das

Die Auseinandersetzung um das Budget der Gesamtkirchgemeinde für 2023 – jenes fürs laufende Jahr war nur knapp vor dem «Absturz» bewahrt worden, weil Strättligen damals bereits die Quotenverteilung monierte – macht deutlich, weshalb der Kirchgemeinderat im Oktober seinen Kollektivrücktritt verkündete. Eine Weiterarbeit sei «undenkbar geworden», hiess es damals. «Für mich ist das Kapitel abgeschlossen. Ich will mich nicht weiter zur Sache äussern», sagt René Schenk, der scheidende Präsident. Nachdem sich unlängst an der Kirchgemeindeversammlung niemand für die Nachfolge gefunden hatte, schloss Schenk ein Rückkommen auf den Ratsentscheid ausdrücklich aus. Folglich muss der Kanton Schritte einleiten zur Einsetzung einer externen Verwaltung für die Kirchgemeinde, die bald ohne Rat dasteht.

Regierungsrat wählt Verwalter, der etwas verändern soll

Nach einer diese Woche mit dem abtretenden Kirchgemeinderat geführten Aussprache beantragt das Regierungsstatthalteramt Thun jetzt dem Regierungsrat, eine besondere Verwaltung für die Kirchgemeinde Strättligen einzusetzen. Ebenso wird die Regierung laut Mitteilung von Statthalterin Simone Tschopp bestimmen, wer diese Aufgabe übernehmen und welche konkreten Aufgaben die Person haben werde. Nebst der baldigen Einberufung einer Versammlung zur Wahl neuer Kirchgemeinderäte und für allfällige Budgetnachträge wird diese wohl auch darüber zu befinden haben, ob Strättligen in den angestossenen Prozess zur Bildung einer Einheitskirchgemeinde in Thun einsteigen will. Die Meinungen dazu sind in Strättligen geteilt. «Je grösser eine Kirchgemeinde ist, desto unpersönlicher wird sie», wurde etwa an der Hauptversammlung des Vereins Pro Kirchen Strättligen moniert vor einem «Moloch» gewarnt. Oder: «Wenn wir selber die Kompetenz zum Unterhalt unserer Kirchen hätten, wäre schon längst etwas gemacht», hiess es damals, als gleich mehrere Voten zu hören waren für eine Verselbstständigung. Vor diesem Hintergrund erwarte er «zwar keine Wunder», doch setze er «bestimmte Hoffnungen in eine Sonderverwaltung». Das schreibt Fernand Portenier, Delegierter Strättligens im Grossen Kirchenrat und dessen Vizepräsident, auf Anfrage dieser Zeitung. Seine Hoffnung setzt Portenier darauf, dass einer professionellen Verwaltung «die gröbsten Schiefstände» im jetzigen Konstrukt der Gesamtkirchgemeinde auffallen müssten. Mit «dem Regierungsrat im Rücken» dürfte folglich einiges möglich sein, «was einer Milizbehörde ohne eigene finanzielle Mittel verwehrt bleibt». Das hält Fernand Portenier abschliessend fest in seiner Analyse der Situation mit noch offenem Ausgang.

Quelle: Thuner Tagblatt, 24.11.2022, Andreas Tschopp