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Neuer Lyrikband der Theologin Marianne Vogel Kopp aus Hondrich

Die Theologin Marianne Vogel Kopp wendet sich nach zwei Romanen der Lyrik zu. Ihre lebensnahen Gedichte schickt sie mit dem Titel «dem heiligen lauschen» auf den Weg.

Beim Anblick einer Katze, die sich zum Schlafen eingerollt hat, geht Marianne Vogel Kopp das Herz auf. Sie sei eher ein leiser Mensch, meide laute Menschenmengen und laufe lieber mit ihrer Hündin Xina durch den Wald, dessen Nähe sie an ihrem Wohnort in Hondrich schätzt. «Der Wald ist ein wunderbarer, sakraler Raum, um sich nahe zu sein und sich Themen anzunähern», weiss die Autorin. Dies wiederum inspirierte sie, Gedichte zu schreiben, die als poetische Kurzmeditationen Denkanstösse schenken. Im Jahr 1959 geboren, wuchs sie als zweites von vier Kindern in Kölliken auf. «Meine Mutter brachte als Hebamme das Leben, mein Vater sorgte als Wagner und Sargtischler für die Toten», stellt die Aargauerin, die schon zwei Romane verfasst hat, lachend fest. Der pietistische Hintergrund im Elternhaus und die Zugehörigkeit zum Blauen Kreuz ebneten den Weg zur Theologie, wie Marianne Vogel vermutet. «Bis zum 30. Lebensjahr hatte ich noch keinen Tropfen Alkohol getrunken. Das habe ich aber mit meinem Mann nachgeholt», schmunzelt sie. In den 1960er-Jahren waren beide Elternteile sechs Tage in der Woche mit ihrem Beruf beschäftigt. «Sonntags ging ich zusammen mit den Geschwistern oft in drei Sonntagsschulen hintereinander. Erst zu den Reformierten, später zur Kinderstunde Hoffnungsbund und dann noch in die Chrischona-Kapelle, wo so schöne Bibelgeschichten erzählt wurden, die ich aufsog», erinnert sie sich.

Muster aufspüren – Wahrheiten entdecken

Das Theologiestudium führte Marianne Vogel nach Basel und für ein Jahr nach Jerusalem in ein Dominikaner-Kloster, wo Französisch und Englisch gesprochen wurde. «Ich mochte die Tagzeiten-Gebete und überhaupt das Leben im Kloster.» Das Studienjahr habe sie politisch sensibilisiert und ihr eine wichtige Erkenntnis geschenkt: «Ich möchte in meiner Sprache bleiben, um mich so präzise wie möglich auszudrücken!» Die persönliche Einkehr – das kontemplative Gebet –, das In-der-Stille-Sein und Nichts-Wissen und Nichts-Kommentieren sind theologische Praktiken, die Marianne Vogel nahekommen. «Wir Theologen wissen überhaupt nichts und umkreisen etwas, für das es keine Worte gibt», stellt sie fest. Mit etwa 30 Jahren habe sie gemerkt, dass es viele Wahrheiten gebe, und begonnen, ihre Muster aufzuspüren. Damit habe sie einen Entdeckungs- und Befreiungsweg angetreten, der sie auch in Schattenzonen führte. «Oft war mir etwas peinlich, oder ich entdeckte, dass ich auch eine böse Seite habe oder neidisch bin.» Es gehe doch darum, auch diese Seiten an sich zu würdigen – weich zu werden. Diesen Schattenzonen sind im Buch auch etliche Zeilen gewidmet: «Lauter abgelehnte Züge, mühsam versteckt vor mir selbst, treiben es dennoch bunt, torpedieren meinen Alltag.»

Den goldenen Käfig verlassen

Zum Begriff «Selbstoptimierung», der seit einiger Zeit in der Gesellschaft herumgeistere, hat die bald 63-Jährige eine klare Haltung: «Dieses ‹Ich›, das sich viele Menschen aufdrücken, ist ein Käfig. Sich selbst zu optimieren, sei es mit Wissen, Luxusgütern oder Schönheits-OPs, heisst demnach, seinen Käfig auszukleiden – mit goldenen Stäben oder einer Schlafstange, ausgerichtet nach Feng-Shui-Regeln.» Viel spannender sei es, aus dem Käfig auszubrechen und all seine Facetten kennen zu lernen. Ihr gehe es um das Loslassen von Selbstbildern, um die Freiheit zu entdecken. In ihrem Gedichtband begegnen dem Lesenden kluge, warme Zeilen, die unweigerlich zum Reflektieren anregen: «Wen könnte ich erst einmal gründlicher kennen lernen, wen endlich ernst nehmen, ausser mich selbst.» Die Gedichte im Buch «dem heiligen lauschen» kommen ganz ohne Titel aus. Dafür verursachen die lebensnahen Zeilen einen zarten Sog, um weiterzulesen, manchmal wie ertappt zu lächeln, zustimmend zu nicken und innezuhalten.

Buchvernissage «dem heiligen lauschen – Gedichte aus der Stille», TVZ-Verlag, ISBN 978-3-290-18476-6, ca. 22 Fr., mit Kalligrafien von Anja Kiel, am Dienstag, 7. Juni, 20 Uhr, Bibliothek Spiez, mitorganisiert durchs Bücherperron. Moderation: Markus Niederhäuser; Musik: René Kasparek; anschliessend Apéro in der LesBar.

Quelle: Thuner Tagblatt, 07.06.2022, Christina Burghagen