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Kanton Bern: Neuer Angriff auf die Kirchensteuern von Unternehmen

Gleich in zwei Kantonen, Bern und Zug, fordern Motionen, dass die Kirchensteuern für juristische Personen freiwillig sein sollen. Das hätte drastische Konsequenzen, heisst es bei den Kirchen.

Die Kirchensteuer für Firmen ist bei bürgerlichen Parteien ein Dauerbrenner. Meist auf kantonaler Ebene gab es schon mehrere Anläufe, sie entweder abzuschaffen oder zumindest auf Freiwilligkeit zu setzen. Bis jetzt scheiterten all diese Versuche – in der Regel deutlich. Nun probieren es die SVP und die BDP in Zug und Bern erneut. In beiden Kantonen wurde eine Motion eingereicht mit dem Ziel, dass Kirchensteuern für Unternehmen künftig freiwillig sein sollen. Auffällig ist, wie ähnlich die Motionäre argumentieren. Besonders das politische Engagement der Kirchen in jüngster Zeit wird von den Bürgerlichen kritisiert. Dies habe sich insbesondere bei der Konzernverantwortungsinitiative (KVI) gezeigt, bei der sich viele Kirchen klar dafür positionierten. «Das hat mich enorm gestört», sagt der BDP-Grossrat Francesco M. Rappa, der die Motion in Bern eingereicht hat. So seien juristische Personen im Kanton Bern verpflichtet, bedingungslos die Kirchensteuer zu entrichten, mit welcher dann wieder Kampagnen gegen sie finanziert würden. «Mühe hatte ich damit insbesondere, weil die Kirche so moralisch auftrat und man als Gegner der Initiative als menschenverachtend an den Pranger gestellt wurde. Das ging einfach zu weit», sagt er. Das sei aber nur einer der Gründe für seine Motion. «Es geht mir auch darum, dass Firmen nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft sein können und dennoch verpflichtet werden, Kirchensteuern zu zahlen.» Diese Pflicht finde er falsch. Deshalb solle die Abgabe auch freiwillig sein. «Ich will sie nicht abschaffen. Aber die Unternehmen sollen selber entscheiden können, ob sie zahlen wollen.» Rappa betont, dass sich seine Motion nicht per se gegen die Kirchen richtet. Er sei selber Mitglied der katholischen Kirche, seine Frau gehöre den Reformierten an. Auf die Frage, ob er mit seinem Vorstoss nicht dennoch die Kirchen schwäche, weil ihnen dann Geld fehlt, antwortet der BDP-Politiker: «Ich glaube nicht, dass sich die Kirchen deshalb in ihren Aufgaben einschränken müssen. Es ist auch so genug Geld vorhanden.»

Freiwilligkeit als «Kompromiss»

Im Kanton Zug wurde die Motion von SVP-Fraktionschef Manuel Brandenberg eingereicht. Eigentlich hätte er den Text noch schärfer formulieren und die juristischen Personen gleich ganz von den Kirchensteuern befreien wollen. «Dass die Entrichtung nun freiwillig sein soll, ist ein Kompromiss, damit die Motion mehr Chancen hat», sagt Brandenberg. Der SVP-Kantonsrat stört sich ebenfalls daran, dass sich die Kirchen in letzter Zeit etwa bei der KVI in die Politik einmischten. «Damit wenden sie sich gegen Firmen, von denen sie Geld bekommen. Das finde ich stossend», sagt Brandenberg. Ihm sei durchaus bewusst, dass bei einem Wegfall der Firmensteuern den Kirchen Geld fehlen wird. «Dann müssen sie sich halt wieder mehr auf ihre Kernaufgaben besinnen.» Damit meine er zum Beispiel die Verkündigung des Evangeliums, Gottesdienste und karitative Arbeit im Sinne von Seelsorge und Fürsorge, «aber ohne übertriebene Strukturen und Sozialapparate, die dem Einzelnen seine Fürsorgeberufung abnehmen.»

«De facto Abschaffung»

Dass Unternehmen in Zukunft Kirchensteuern zahlen, wenn diese freiwillig sind, daran glaubt zumindest Judith Pörksen Roder, Synodalratspräsidentin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, nicht. «Die Motion läuft meiner Meinung nach de facto auf eine Abschaffung der Kirchensteuern hinaus. Die Firmen werden die Beträge schlicht einsparen», sagt sie. Ein entsprechendes Gesetz hätte laut Pörksen Roder im Extremfall Mindererträge von bis zu rund 16 Prozent des Gesamtsteuerertrags zur Folge. Dies wäre, je nach Wirtschaftsstruktur der Kirchgemeinde, sehr einschneidend. So liege der Steuerertrag der juristischen Personen laut Jahresrechnung 2019 zum Beispiel bei der Reformierten Gesamtkirchgemeinde Biel bei gut 2,1 Millionen Franken. Der Steuerertrag der natürlichen Personen betrage rund 4,8 Millionen Franken. Es würde also ein grosser Teil der Einnahmen wegfallen. Nicht nachvollziehen kann Pörksen Roder, dass die Motion aufgrund des politischen Engagements der Kirchen eingereicht wurde. «Die Motion wird begründet mit dem Engagement der Kirchen für die KVI, aber die Auswirkungen der Motion sind sehr viel grundsätzlicher Art.» Die Motion lasse zudem ausser Acht, wie Firmen von den Kirchen profitierten. Die Kirchgemeinde Zollikofen nehme zum Beispiel pro Jahr 170'000 Franken an Steuern von juristischen Personen ein. Sie habe aber in den letzten fünf Jahren Investitionen im Umfang von knapp einer Million Franken getätigt, die fast zu 100 Prozent bei baulichen Massnahmen lokalen KMUs wie Schreinereien, Malerbetrieben oder Elektroinstallateuren zugutekamen.

Abwarten in Zug

Bei der Reformierte Kirche des Kantons Zug hat man ebenfalls Kenntnis von der Motion. Man wolle sich aber noch nicht äussern und zuwarten, bis der Vorstoss an den Regierungsrat überwiesen wird, heisst es auf Anfrage von ref.ch. Ähnlich klingt es beim Forum Kirche und Wirtschaft des Kantons Zug (VKKZ). Auch dort will man abwarten und noch nicht konkret zur Motion Stellung beziehen. Karl Huwyler, VKKZ-Präsident und Präsident der katholischen Kirchgemeinde Walchwil, sagt auf Anfrage von ref.ch: «Wir haben in der Coronazeit nun wirklich andere Probleme, als uns um solche Anliegen zu kümmern. Ängsten zu begegnen oder Arme zu unterstützen, beispielsweise.» Für Huwyler ist eines jedoch klar: Solche Motionen würden die Existenz der Kirchen angreifen – und damit die Erfüllung ihrer Aufgaben.

Quelle: www.ref.ch, 19. Januar 2021, Andreas Bättig